Die Geschichte vom toten Dachs, der sich umdrehte, aber nicht verschwand
VOLKSDORF Tieren in Not muss man sofort helfen, das ist Ehrensache. Erst recht, wenn das Tier offensichtlich verletzt ist und sich kaum bewegt. Wie kann man aber einem Wildtier helfen? Was ist, wenn das Tier aggressiv wird? Fragen über Fragen. Eine gute Idee ist immer, sofort den Jagdpächter zu informieren. Hat man die Telefonnummer nicht, hilft die Polizei aus. Ich hatte noch den Kontakt von der Kitzrettung in Bergstedt und erreichte über Walter Pries, Jagdpächter für Volksdorf/Sasel, die Mitpächterin Angela Töben: „Hier in der Volksdorfer Feldmark liegt ein toter Dachs im Knick – ich glaube zumindest, dass er tot ist, er bewegt sich nicht“, berichtete ich. Damit begann eine unglaubliche Geschichte.
Von Matthias Damm
Angela Töben war nach meiner Schilderung überzeugt, dass der Dachs verendet sei: „Vermutlich ist er über die U-Bahn Gleise gelaufen und wurde angefahren. Ich schaue mir das Tier schnellstmöglich an.“ Ich machte ein Foto vom Dachs, wunderte mich noch, wieso sich ein verletztes Tier so weit schleppen kann und warum mein Hund an dem Kadaver gar kein Interesse zeigte.
Der Dachs hatte sich gedreht
Egal – die Hilfe, wenn auch vielleicht eine finale, war wichtig, falls der Dachs sich doch noch regte. Und das tat er. Als ich nachmittags wieder an derselben Stelle vorbei kam, hatte sich das Tier gedreht und seine Schnauze ins Dickicht gedrückt. „Der lebt tatsächlich, jetzt muss sofort gehandelt werden“, dachte ich und meldete mich erneut bei Angela Töben. Die machte sich umgehend auf den Weg, ich führte sie zur Fundstelle und die erfahrene Jägerin begutachtete das Tier.
„Ich lade jetzt meine Flinte …“
„Eigenartig, der verhält sich nicht wie ein verletztes Tier und sieht komisch aus. Ich lade jetzt meine Flinte, falls ich das Tier erlösen muss. Halten Sie sich bitte die Ohren zu, der Knall ist laut“, sagte sie und stupste den Dachs an. Pause. Kein Schuss. Stattdessen: „Herr Damm, kommen Sie doch mal her, das Tier ist tatsächlich tot – besser gesagt, es hat nie gelebt. Es ist eine Attrappe.“ Nicht zu fassen, tatsächlich. Wir zogen das lebensgroße, täuschend echt aussehende Gebilde aus dem Knick. Irgendjemand muss den Dachs-Dummy zwischen meinem ersten und zweiten Kontakt im Knick gedreht haben. „Wenn ich den Fang, die Schnauze, versteckt in den Brombeeren zuerst gesehen hätte, wäre ich auch von einem echten Dachs ausgegangen“, meinte die Jägerin zu meiner Ehrenrettung.
Das „Tier“ ein Ziel für Bogenschützen
Dann zeigte sich, dass das aus Hartschaum gefertigte „Tier“ wohl öfter als Ziel für Bogenschützen diente. Entspannung. Für Angela Töben war es, wie sie sagte, bei diesem Ausgang mal eine ungewöhnliche, aber angenehme Tierrettung. Für mich bleiben Zweifel, ob nicht doch irgendwo eine versteckte Kamera alles für den Film „Herr Damm und die erstaunliche Rettung des Hartschaum-Dachses“ aufgezeichnet hat.
Last modified: 29. September 2021