Studentinnen sehen in Debatte um Ochse ein Lehrstück für die Demokratie
VOLKSDORF Goofy wurde 2020 bundesweit bekannt – jetzt ist er Thema einer Forschungsarbeit an der Fakultät für Erziehungswissenschaften der Universität Hamburg. Der Ochse aus dem Museumsdorf bleibt im Gespräch.
Von Marius Leweke
An der Schule Demokratie lernen und leben – das ist das Thema der Seminararbeit, an der Alexandra Josef und Beatrice Knaps, Hamburger Studentinnen mit Ziel Lehramt, gerade intensiv arbeiten. Was das mit Goofy zu tun hat? „Ganz schön viel“, findet Alexandra Josef. Denn schließlich sei der Beschluss einer achten Klasse des Walddörfer Gymnasiums demokratisch gefallen, den jungen Stier von Österreich nach Volksdorf zu holen und ihn eineinhalb Jahre bis zur Schlachtung zu betreuen (siehe Kasten). „Auf Initiative der Schüler und von der Mehrheit getragen.“ Dass sich auch diejenigen, die gegen die „Rettung“ Goofys waren, in das Projekt integrierten, notieren die beiden Studentinnen als ein Beispiel dafür, wie Demokratie an der Schule funktionieren kann. „Interessant ist auch, dass das Projekt spontan und völlig ungeplant begann“, so Beatrice Knaps, die nach der Uni Kunst und Deutsch unterrichten möchte.
„Schutzraum Schule war in Gefahr“
Interessanterweise bleiben Themen wie Fleischverzicht und Tierschutz bei der Seminararbeit außen vor. Im Zentrum steht vielmehr die Entscheidung, ob es gerechtfertigt war, das Projekt in der geplanten Form – den Ochsen schlachten zu lassen – auf öffentlichen Druck hin zu beenden. „Diesen Vorgang analysieren wir aus demokratie-pädagogischer Sicht.“ Die Studentinnen haben mit den Schülern, mittlerweile in der 11. Klasse, gesprochen. „Die Schüler sind immer noch sauer, dass Schulleitung und Museumsdorf die Schlachtung abgesagt haben, ohne sie zu fragen“, so die beiden. Andererseits habe die Schule handeln müssen, weil Tierschützer, wie der Sprecher eines Lebenshofs aus Niederbayern, offen gedroht hatte, „Volksdorf mit Guerilla-Aktionen nicht zur Ruhe kommen zu lassen“. Zudem strömten Kamerateams vor das Walddörfer Gymnasium, beliebige Schüler wurden befragt. Damit sei damals, so Alexandra Josef, „der Schutzraum Schule in Gefahr gewesen“. Derart unter Druck gesetzt mussten Schule und Museumsdorf eine rasche Entscheidung fällen und hätten darum die Schüler erst im Nachhinein informieren können. „Aus Sicht des Schulleiters, der ja nicht nur die Verantwortung für die Goofy-Klasse trägt, gab es wohl keinen anderen Weg“, so die künftigen Lehrerinnen.
Diskurs und Nachhaltigkeit
Daneben betonen die Studentinnen in ihrer Arbeit die vielen positiven Aspekte des Projekts. Dazu gehört, dass die Schüler erfahren haben, wie viel man durch eigene Initiative erreichen kann. „Durch Goofy wurde ja zum Beispiel die engere und nachhaltigere Zusammenarbeit zwischen Schule und Museumsdorf angeschoben – und das von den Schülern selbst“, so Beatrice Knaps, die derzeit am Walddörfer Gymnasium im Rahmen eines Lehrauftrags Kunst unterrichtet.
Goofy macht wohl nicht noch den Master
Auf das Thema Goofy gebracht hat die beiden Studentinnen Barbara Dammann, Klassenlehrerin der Goofy-Klasse, die derzeit an einer umfangreicheren Studie zu diesem Thema arbeitet. „Als sie das Projekt in der Forschungswerkstatt zur Demokratiepädagogik vorgestellt hat, waren wir sofort begeistert“, sagt Alexandra Josef, die Lehrerin für Biologie und Politik werden will. Wenn die Seminararbeit abgegeben ist, geht es für beide an den Master-Abschluss. „Aber ohne Goofy“, lachen sie zum Abschluss des Gesprächs mit dem Heimat-Echo.
Das Schulprojekt Go for Goofy
Auf Klassenfahrt in Österreich wurden Achtklässler des Walddörfer Gymnasiums 2019 Zeuge der Geburt eines Stierkalbs. Als sie erfuhren, dass für das Tier in der Milchwirtschaft kein Platz ist, entschieden die Schüler, das Goofy genannte Kalb nach Hamburg zu holen. Goofy landete im Museumsdorf unter der Voraussetzung, dass sich die Klasse um ihn kümmert – und dass er im Alter von eineinhalb Jahren geschlachtet wird. Nach einem Artikel im Heimat-Echo wurde das Projekt deutschlandweit bekannt und rief Tierschützer und Boulevardmedien auf den Plan. Als Kamerateams vor der Schule aufkreuzten und alle Beteiligten in einen sogenannten Shitstorm gerieten, änderten Schule und Museumdorf den ursprünglichen Plan. Seither lebt Goofy in der kleinen Rinderherde im Volksdorfer Museumsdorf.
Last modified: 15. Februar 2022