Behindertenforum Walddörfer testet Flaniermeile auf Barrierefreiheit
VOLKSDORF Wie barrierefrei ist die Flaniermeile Volksdorf? Antwort auf diese Frage suchten rund 30 Menschen mit Handicap und in der Behindertenarbeit Aktive bei einem Rundgang direkt vor Ort. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die meisten Barrieren existieren unabhängig von den versuchsweise installierten Umbauten.
Von Marius Leweke
Bei strahlendem Wetter macht sich die kleine Karawane vom Marktplatz aus auf den Weg. Senioren im Rollstuhl oder mit Rollator, Menschen mit Downsyndrom und Vertreter von Einrichtungen für Menschen mit Handicap wie dem Senator-Neumann-Haus, Haus Erlenbusch oder der Arche Volksdorf schauten nach Mängeln und Verbesserungsmöglichkeiten. Die meisten haben sich weiße T-Shirts mit dem Aufdruck „Barrierefreiheits-Tester“ übergestreift und die Auswertungsbögen des Behindertenforums zur Hand.
Zu schaffen macht den meisten Teilnehmern der unebene Boden mit seinen unterschiedlichen Belägen. „Da bleibt man manchmal regelrecht hängen“, sagt Sönke Fries, der seine Frau Lilo im Rollstuhl schiebt. Das sei aber ebenso wenig spezifisch für die Flaniermeile wie der oft nicht rollstuhltaugliche Zugang zu den Geschäften. „Da sind eine oder zwei Stufen schon zu viel“, sagt auch Regina Jäck. Die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete ist in ihrer Fraktion Sprecherin für Menschen mit Behinderung.
Rampen erleichtern den Zugang
Sie hat auch gleich einen Vorschlag zur Abhilfe parat: „Meistens reicht es, im Laden eine klappbare Rampe bereitzuhalten, um Leuten im Rollstuhl den Zugang zu erleichtern.“
Der erste „echte“ Kritikpunkt betrifft die Außengastronomie. Bei einem Café mit Tischen und Stühlen auf dem Gehweg sei der Durchgang sehr schmal, das sollte man ändern, findet Rainer Wilcke vom Behindertenforum Walddörfer. Er hat den Rundgang organisiert, auch um mehr Aufmerksamkeit auf das Thema Barrierefreiheit zu lenken, und wird die Fragebögen auswerten. „Das ist sehr gut“, sagt Gudrun Stöhr, die sich als Sehbehinderte mehr Platz und einen stolperfallenfreien Weg wünscht. „Dann kann man sagen, wie es aussehen sollte, wenn die Flaniermeile Dauerlösung wird.“
Ein weiteres Dauerproblem, das gelöst werden muss, ist die Frage nach öffentliche Toiletten. Man habe zwar gute Erfahrungen mit den lokalen Gastronomen, etwa im BlockHouse und dem Wiener Kaffeehaus mit den heute schon barrierefreien Toiletten. Aber ein öffentliches barrierefreies WC wäre die bessere Lösung.
Konzept findet großen Anklang
Neben der Kritik gab es viel Lob. „Ich mag die gepflegten Blumenkästen, das ist allemal schöner als auf geparkte Autos zu schauen“, sagt Monika Jenkel-Bolle, die im Elektro-Rollstuhl die „Teststrecke“ entlangfährt. „Die Flaniermeile ist eine echte Bereicherung für den Stadtteil.“ Auch Lilo und Sönke Fries aus Bramfeld bestätigen, dass sie „mit der Barrierefreiheit gut klarkommen“. Die beiden sind häufiger zum Arztbesuch in Volksdorf, dank Behindertenausweis stelle sich die Parkplatzfrage allerdings nicht, wie Sönke Fries zugibt.
Gemeinsam entschleunigt genießen
Allgemein gelobt wird, dass die Flaniermeile Fußgängern mehr Platz einräumt – und dass es mehr Sitzplätze zum Ausruhen gibt. „Gerade unsere Bewohner brauchen das“, sagt Silke Westphal vom Senator-Neumann-Haus. „Bei uns leben Menschen mit schweren Hirnschäden, die ihre Pausen benötigen, um alles, was um sie herum vorgeht, zu verarbeiten.“ Zu den Stressfaktoren gehörten dabei auch ein- und ausparkende Autos.
Allen Teilnehmern des Testlaufs ist klar, wie etwa Sabine Leu formuliert, „dass nicht alles von heute auf morgen geändert werden kann“. Monika Jenkel-Bolle betont, wie schön es für sie sei, wenn jung und alt den Volksdorfer Ortskern entschleunigt genießen können.
Last modified: 22. Juni 2022