Dialogveranstaltung zum Tunneltal mit Bürgern und Experten in Ahrensburg
AHRENSBURG Seit zehn Jahren laufen die Planungen für die S4 von Altona nach Bad Oldesloe. Erreicht werden soll eine dichtere Taktung für die Pendler und der Umstieg vom Auto auf den ÖPNV, sagen die Befürworter. Der bisherige Takt und die beiden Gleise reichen, so die Kritiker. Wichtig sei, dass der Güterverkehr nicht über diese Strecke laufe und durch einen viergleisigen Ausbau für Schaden im geschützten Tunneltal sorge. Alle Pro und Contras sind lange bekannt, was fehlte war die unmittelbare Information der Öffentlichkeit. Aus diesem Grund hatte die Stadt Ahrensburg am 27. Oktober zu einer Dialogveranstaltung eingeladen, um allen interessierten Bürgern die Möglichkeit zu geben, das Für und Wider in Präsenz mit einer Reihe von Experten kennenzulernen.
Von Matthias Damm
Im Schulzentrum am Heimgarten gab es für die etwa 200 Interessenten zunächst die Möglichkeit, sich im Vorfeld der Expertenrunde über den Stand der Planung von DB Netz und die Sorgen der Natur- und Denkmalschützer an Infoständen zu informieren, um anschließend Fragen an die Fachleute einzureichen. In seiner Begrüßung äußerte sich Bürgermeister Eckart Boege sehr zufrieden über das rege Interesse der Bürger vor Ort und online per angebotenen Live-Stream. Svenja Furken von der Interessengemeinschaft Tunneltal eröffnete den Abend mit ihrer Sorge um den Natur- und Artenschutz und den archäologischen Grabungsschutz.
Streitpunkt ist der viergleisige Ausbau
Durch die jahrelangen Bauarbeiten an dem viergleisigen Ausbau mit seinen Baustraßen und den sechs Meter hohen Schallschutzwänden werde dem Tunneltal als Fauna-Flora-Habitat Gebiet schwerer Schaden zugefügt, so Svenja Furken. Gleichzeitig werde dort gebaut, wo bei Ausgrabungen die mit 14.000 Jahren ältesten Siedlungen Nordeuropas nachgewiesen worden seien und noch eine Viertelmillion weitere Funde vermutet werden. „Die Natur genießt im Fauna-Flora-Habitat Tunneltal seit 2010 den höchsten europäischen Schutz und die archäologischen Funde sind einzigartig und weltweit anerkannt. Aber was nützt der hohe Schutz, wenn er für die geringfügige Verbesserung einer Zug-Taktung zwischen Ahrensburg und Hamburg gekippt werden kann“, so Furken.
Es müsse Belange im Naturschutz geben, die nicht zur Disposition stehen. Sie fordert, den geplanten Ausbau zu stoppen und den Güterverkehr über Alternativstrecken zu führen. Vertreter von DB Netz halten dagegen, dass alle Alternativstrecken für den Güterverkehr geprüft worden seien und man sich jetzt im Planfeststellungsverfahren befinde, dessen Ergebnis öffentlich ausgelegt werde und dann Einsprüche aller Ahrensburger zulasse. Außerdem befänden sich völlig neue, transparente Schallschutzelemente im Genehmigungsprozess, die die Sichtachsen nicht mehr verbauen.
Warnung vor dem Nadelöhr
Professor Michael Struwe hat mit seinen Untersuchungen an der Northern Business School die europäische Dimension des Güterschienenverkehrs von Süd- nach Nordeuropa im Blick. Güter europaweit auf die Schiene zu bringen, sei das Ziel, das zum Beispiel durch den Bau des Gotthardtunnels, des Brenner Basistunnels und der Fehmarnbelt Querung unterstrichen werde. Gleichzeitig aber ein Nadelöhr für den Verkehr von und nach Skandinavien bei Gartenholz zu schaffen, wo der viergleisige Ausbau endet, sei kontraproduktiv und führe zu einem Dominoeffekt mit Staus. Ab Lübeck, so Struwe, müssen die Güterzug Leistungen über alternative Strecken geleitet werden „Wenn am Ende tatsächlich wie geplant gebaut werde, gilt es, den Eingriff in die Natur so gering wie möglich zu halten und eine Biotopvernetzung zum Beispiel durch einen Tunnel anzustreben“, sagt Malte Siegert vom Nabu-Hamburg und bezeichnet die S4 als Kollateralschaden. Auch die geplante, weit gespannte Straßenbrücke am jetzigen Bahnübergang Brauner Hirsch sehen die Naturschützer kritisch: Dann werde sich durch Volksdorf, Am Hagen und in Ahrensfelde ein Autobahnzubringer mit entsprechendem Verkehrsaufkommen entwickeln. DB Netz argumentiert, dass eine Schranke an dieser Stelle bei viergleisigem Ausbau fast durchgehend geschlossen wäre und die große Spannweite der Brücke das Tunneltal möglichst wenig belasten soll.
Dialog als erster wichtiger Schritt
Die Standpunkte, Einwände und Alternativvorschläge in so einer Präsenzveranstaltung kennenzulernen, waren für Bürgermeister Eckart Boege wichtig: „Mir raucht der Kopf nach soviel Information, eine kurze Zusammenfassung an dieser Stelle ist nicht möglich“, so sein Fazit nach gut zweieinhalb Stunden, „Ich nehme für die Stadt eine Menge Anregungen mit, auf die wir im Planfeststellungsverfahren achten werden.“
Svenja Furken von der IG Tunneltal sieht viele Fragen und vor allem Alternativvorschläge für den Güterverkehr nicht beantwortet und erwägt eine Folgeveranstaltung.
Last modified: 16. November 2022