Ehemaliger Chefarzt macht Modellschiffe wieder flott
VOLKSDORF Früher Chefarzt Gynäkologie, heute versierter Modellbauer für Notfälle: Der Volksdorfer Dr. Wolfram Czopnik hat seine Fähigkeiten im mikrofeinen Operieren seit einigen Jahren auf die Instandsetzung von schwer havarierten Modellschiffen gelenkt. Ganz besonders historische Segelschiffe, die beim Sturz von der Fensterbank Mast- und Schotbruch erlitten haben, konnten durch seine fili-granen Fähigkeiten wieder Segel setzen.
Von Matthias Damm
Handwerkliches Geschick hat der Mann zweifellos. Egal, ob die Gartentür klemmt, die Wasserpumpe den Betrieb verweigert oder zwei Schranktüren mit Folie bespannt werden sollen: Geht nicht, gibt’s erstmal nicht für Wolfram Czopnik. Er hat Spaß am Reparieren und eine professionell eingerichtete Werkstatt, genau so wie zu seiner Zeit als Arzt: „Da war die Werkstatt der OP-Bereich und meine Freude war immer, Menschen mit meinen medizinischen Fähigkeiten helfen zu können.“
Jetzt ist er seit zehn Jahren im Ruhestand und hat mit dem Herrichten von Segelschiffen ein Hobby aus seiner Jugendzeit wiederentdeckt. „Anfang der 1960er-Jahre habe ich vor allem Modelle von Revell gebaut wie die „Cutty Sark“, die „Constitution“ oder die „Mayflower“. Schon damals ging es mir darum, diese Kunststoffmodelle zu verfeinern, vor allem die Takelage. Das gelang gut, ich hatte ein Händchen für die feinen Arbeiten und wollte in meinem Leben etwas mit eben diesen Händen machen – sicher mit ein Auslöser für mein Medizinstudium und den späteren Beruf.“ Ähnlich wie bei einer OP komme es auch beim feinen Modellbau auf das Knowhow, den exakten Schnitt und vor allem die Knoten an, weiß der Mediziner und demonstriert mit zwei Pinzetten, wie er die Taue an den Wanten verbindet. Eine Arbeit, die Grobmotoriker zum Verzweifeln bringen würde. „Ich habe das Glück, dass ich mein Leben lang ruhige Hände habe, die Grundvoraussetzung für meinen Beruf und mein Hobby. Die Augen kann man ja für den Nahbereich mit einer Brille scharf stellen, oder man nimmt eine Lupe. Aber bei den Händen ist das ein Geschenk.“ Dazu komme eine Menge Geduld, Hektiker und Schnell-fertig-Macher sollten besser Holz hacken.
Zwei Millimeter breiter Liegestuhl
Und natürlich spielt Erfahrung eine wesentliche Rolle: Welchen Kleber man zum Beispiel für eine bestimmte Verbindung aus unterschiedlichen Materialien nimmt, ist eine Wissenschaft für sich. Wolfram Czopnik: „Ich habe während einer Kreuzfahrt auf der AIDAblu das Schiff in vielen Details fotografiert und im Maßstab 1:400 insgesamt dreimal gebaut. Jedesmal kamen feinere Details als Eigenbauten dazu, natürlich in den korrekten Farben. Da ist ein Liegestuhl dann zum Beispiel gerade mal zwei Millimeter breit. In der dritten Version wurde im Rumpf ein großes Bündel von winzig dünnen Lichtleitern platziert, so konnte ich die einzelnen Deckslampen zum Leuchten bringen.“
Aber am meisten Spaß macht ihm das Reparieren von Segelschiffen. Ein Freund brachte kürzlich die 120 Zentimeter große „Cutty Sark“ seines Schwiegervaters vorbei. Die war vom Podest gefallen, die Masten gebrochen und die Takelage gerissen. „Wichtig war mir, dass ich die beschädigten Teile in Stand setze und nicht einfach durch neue ersetze. Ein bisschen wie im richtigen Leben, da wurde ja auch aus Kostengründen alles repariert, was noch tauglich war“, weiß der Hobby Restaurator und greift zu Pinzette und Faden. Viel Routine hat sich der modellierende Doktor über die Jahre mit seinen Modellen angeeignet, die jetzt an räumliche Grenzen stößt: „Ich weiß nicht, wo ich noch weitere eigene Modelle im Haus unterbringen soll. Deshalb bin ich gerne bereit, Reparaturarbeiten für Besitzer von havarierten Modellen zu übernehmen, die sich das selber nicht zutrauen. Schicken Sie mir eine Email an wolfram@czopnik.de, ich schau mir den Schadensfall in meiner Sprechstunde an!“
Schiffe für die Notaufnahme
Gut möglich, dass die Kontaktaufnahme auch face-to-face läuft, denn Dr. Czopnik hat während seiner Zeit als Chef der Geburtshilfe im Amalie Sieveking Krankenhaus um die 30.000 Geburten verantwortet. Ist er in Volksdorf unterwegs, wird er immer mal wieder mit „Sie haben unser Kind zur Welt gebracht“ angesprochen – was sich künftig ändern könnte in „Sie reparieren jetzt auch Schiffe? Ich hätte da eins für die Notaufnahme.“
Last modified: 11. Januar 2023