Pilotprojekt: Mehrere Wochen sollen zwei Straßen verkehrsberuhigt werden
VOLKSDORF Andere Stadtteile haben es schon vorgemacht: Jetzt soll es auch in Volksdorf eine verkehrsberuhigte Zone geben – ein Pilotprojekt mit offenem Ausgang. Das Experiment startet am 19. Oktober mit einer Diskussion im Regionalausschuss. Der Praxistest ist für Sommer 2021 geplant. Das bisherige Echo von Bürgern und Geschäftsleuten: gemischt.
Der berühmte Jungfernstieg an der Alster wird es bald – eine autofreie Zone. Ab Mitte Oktober gehört die Hamburger Prachtmeile den Fußgängern. Nur Busse, Taxen und Radfahrer haben noch freie Fahrt. Was hier schon beschlossene Sache ist, könnte auch in Volksdorf bald Realität werden. Vorausgesetzt, das Pilotprojekt im kommenden Sommer findet die Zustimmung der Bürger, Geschäftsleute und der Politik. Die Idee, auch in Volksdorf unbehelligt von Autos bummeln und flanieren zu können, hat Befürworter und Widersacher gleichermaßen. Im Straßencafé sitzen, dort, wo sonst die Autos stehen, mitten auf der Straße mit dem Nachbarn klönen – wäre das nicht wunderbar? Nein, sagen andere. Wer den Kunden die Anfahrt mit dem Auto verwehrt, verliert sie gleich an die großen Einkaufszentren der Region, so die Sorge. Argumente wie diese sollen unter anderem im Regionalausschuss Walddörfer am 19. Oktober ausgetauscht werden. In einer Hybridveranstaltung haben die Bürger persönlich nach Voranmeldung oder online die Möglichkeit, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen, Fragen zu stellen, Anregungen zu geben.
„Chance, es einfach mal zu testen“
„Das Pilotprojekt bietet die Chance, autofreie oder verkehrsberuhigte Straßen zusammen mit den Bürgern zu testen. Was man daraus dann am Ende macht, müssen wir offen diskutieren“, sagt Uwe
Halpap, der für Bündnis 90/Die Grünen im Regionalausschuss Walddörfer sitzt. Zusammen mit der SPD hatten die Grünen den Antrag für das Pilotprojekt gestellt. Beide Parteien wissen aber auch, dass die Idee ein gemischtes Echo hervorruft. Andrea Eickmeier, Inhaberin von Little‘s Kindersachen, hat Volksdorfer Geschäftsleuten unter anderem die Frage gestellt, ob dieses Pilotprojekt überhaupt gestartet werden sollte – 80 von 120 Befragten antworteten. Das Ergebnis: Dreiviertel sind dagegen.
Andrea Eickmeier, Inhaberin von „Little‘s Kindersache“, formuliert ihre Haltung zum Pilotprojekt „autofreies Volksdorf“ in den Straßen Claus-Ferck-Straße und Im Alten Dorfe so: „Ich würde es gern versuchen, wenn die 100 Parkplätze, die wegfallen, irgendwo anders entstünden.“ Denn: Dass ihre Kunden aus Bergstedt, Poppenbüttel oder Meiendorf mit dem Fahrrad nach Volksdorf kommen, glaubt die Geschäftsfrau eher nicht.
Zusammen mit einer anderen Unternehmerin hat sie unter den Volksdorfer Geschäftsleuten eine Umfrage gestartet. 120 Fragebögen landeten in den umliegenden Briefkästen mit der Fragestellung, ob das Pilotprojekt überhaupt starten solle. „80 haben uns bis jetzt geantwortet und die Tendenz ist deutlich“, sagt Andrea Eickmeier. „Nur ein Viertel sind dafür, die anderen dagegen.“
Bedenken hat auch Frank Reinholdt vom gleichnamigen Bestattungsunternehmen. Zum einen findet er den Zeitpunkt für das Pilotprojekt und die Diskussion darüber misslich. „Die Geschäftsleute haben unter Corona genug zu leiden gehabt. Zudem stehen sie in Konkurrenz zum Online-Handel. Wenn jetzt Kunden wegen fehlender Parkmöglichkeiten abwandern, hätte das fatale Folgen. Wir, aber auch viele Geschäftsleute haben ältere Kunden, die sich über einen Parkplatz direkt vor der Ladentür freuen“, hat der Bestatter beobachtet.
Manfred R. Heinz sieht in dem Pilotprojekt eine große Chance, um die Alltagsqualität in Volksdorf noch weiter zu erhöhen. Diesbezüglich äußert er sich aber nicht als Vorsitzender der Interessengemeinschaft EKZ Volksdorf e.V., sondern als Vorsitzender des Bürgervereins Walddörfer. „Für die Interessengemeinschaft und damit für die Geschäftsleute mit einer Stimme zu sprechen, ist schwierig. Denn es gibt zu dem Projekt ein vielfältiges Meinungsbild“, so Heinz.
Vielfältige Diskussion ausdrücklich erwünscht
Alle Meinungen abzubilden, eine rege Diskussion zu führen und den Bürgern eine Plattform zu geben – das alles ist bei dem Pilotprojekt ausdrücklich gewünscht. „Die Diskussion am 19. Oktober im Regionalausschuss ist nur ein Auftakt, es werden viele weitere Veranstaltungen mit Bürgerbeteiligung folgen“, betont Ausschussmitglied Jan-Hendrik Blumenthal von Bündnis 90/Die Grünen. Sein Parteikollege Uwe Halpap, auch ein Befürworter des Pilotprojekts, betont: „Es geht nicht darum, ganz Volksdorf autofrei zu machen. Und die Aktion richtet sich auch nicht generell gegen Autos. Es geht darum, die Innenstadt noch attraktiver zu machen.“ Der Antrag von SPD und Grünen findet auch bei der Linken Zustimmung. „Er liegt voll auf der Linie, die wir immer vertreten haben“, sagt Rainer Behrens.
P&R gebührenfrei machen?
Davon ist Niclas Heins (CDU) nicht überzeugt. „Der Lockdown hat den Einzelhandel und die Gastronomie in eine schwierige Lage gebracht. Der Zeitpunkt für das Pilotprojekt ist nicht gut gewählt. Wichtig ist es auf jeden Fall, die Kunden und Geschäftsleute mitzunehmen, keine Tatsachen zu schaffen und den Ortskern gesamt zu betrachten.“ Zu überlegen sei es auch, das P&R gebührenfrei zu machen.
In diesem Punkt geht auch die FDP mit. „Wir stehen dem Anliegen, die Qualität in Volksdorf zu erhöhen, generell positiv gegenüber. Die Frage ist, ob eine Flaniermeile das geeignete Mittel dafür ist“, sagt Finn Ole Ritter (FDP). Sein Anliegen: Ein Pilotprojekt das beide Ergebnisse offen zulässt. Top oder Flop…
Von Susanne Holz
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Last modified: 17. Dezember 2020