Wie es zu dem wurde, was es ist
SASEL Das Sasel-Haus ist 40 Jahre alt geworden. Und das Jubiläumsjahr hatte es in sich. Elf Wochen nach der großen Feier musste es seine Türen schließen. Kurse, Kultur, Kinder-Leseclub – alles wurde während des ersten Lockdowns vorübergehend auf Eis gelegt. Anfang Juni liefen die Kurse langsam wieder an, im Oktober fand das erste Konzert statt, Anfang November nun der zweite Lockdown. Ein bewegtes Jahr in der bewegten Geschichte des Hauses. Das war erst eine Scheune für Milchwirtschaft und ist nun Kulturzentrum.
Alles begann mit Konrad Reuter auf dem Saseler Gutshof. In der großen Scheune betrieb er eine Milchwirtschaft. Als der Bau abbrannte, errichtete er 1908 einen Viehstall modernster Ausrichtung: mit Platz für 168 Milchkühe und sechs Zugochsen. Das Obergeschoss des Stalls diente als Lager für alles, was die Versorgung der Tiere sicherstellte: ausreichend Heu und natürlich Wasser – genaugenommen 11.000 Liter, die in einem großen Tank gesammelt wurden. Seinerzeit hat wohl niemand gedacht, dass ausgerechnet dieses Gebäude alle anderen auf dem Gut überdauern und es eines Tages weit über die Grenzen des Stadtteils hinaus bekannt sein würde. Dass in seinen Mauern statt Rindergebrüll Kinderlachen und klassische Musik erklingen würden. Auch die Stadt Hamburg konnte sich das nicht vorstellen: 1980 sollte der Bau abgerissen werden. Das wurde zum Glück verhindert. Der ehemalige Stall wird heute rege frequentiert. Im Obergeschoss befindet sich das Herzstück des Sasel-Hauses: die Turnhalle, die für Konzerte und Veranstaltungen zum Großen Saal umfunktioniert wird.
Großer Saal mit toller Akustik
„Durch das riesige Tonnengewölbe hat der Raum eine extrem gute Akustik. Er ist bei Künstlern sehr beliebt und ermöglicht hochkarätige Konzerte, die Menschen aus der ganzen Region anziehen“, sagt Sasel-Haus-Mitarbeiterin Carmen Below nicht ohne Stolz.
Am 28. November 1979 versammelten sich die Gründungsmitglieder im Gemeinschaftsraum der Freiwilligen Feuerwehr Sasel, um sich zu einem neuen Verein zusammenzuschließen. Neben den Gastgebern und der Vicelin-Kirche waren unter anderem zwei Chöre, der Bürgerverein und der TSV Sasel dabei. Sinn und Zweck der Vereinsgründung: Erhalt des historischen Gebäudes, in dem zwischenzeitlich die Schule „Am Park“ untergebracht war, und die Einrichtung eines Bürgerhauses. Ein Jahr später bekam der Sasel-Haus e.V. seinen Eintrag im Vereinsregister, 1982 bot er seinen ersten Kurs an: Stricken und Basteln. Fünf Jahre später stellte die Stadt dem Verein das gesamte Haus zur Verfügung. Ab da galt es, das knapp 2.700 Quadratmeter große Gebäude mit Leben zu füllen.
So bot das Sasel-Haus eine Kinderbetreuung an, damit Eltern in Ruhe ihre Kurse besuchen konnten. Daraus entstand wenig später eine Kita, die heute von Angelika Dieseldorff geleitet wird: „Der Bedarf an Kitaplätzen im Stadtteil war durch hohen Zuzug stark gewachsen, sodass sich die anfänglich betreute Spielgruppe zu einer öffentlich anerkannten Bildungseinrichtung entwickelte.“ Die Kita hat seitdem einen großen Stellenwert innerhalb des Hauses. Um die 90 Kinder zwischen zehn Monaten und sechs Jahren werden von 15 pädagogischen Fachkräften betreut. Fünf Gruppenräume und – nach Absprache – weitere Räume des Sasel-Hauses stehen den Lütten zur Verfügung. Auf dem großen, naturnahen Außengelände, das seit der Neugestaltung 2011 „teilöffentlich“ ist, können die Kinder sich austoben. Im Laufe der Jahre wuchs das Angebot rasant: In 60 verschiedenen Kursen kann man lernen, was das Herz begehrt, z. B. Fremdsprachen, Maltechniken, Hatha-Yoga oder die Beherrschung des Smartphones. Eine bedeutende kulturelle Säule des Hauses ist die 2009 ins Leben gerufene ImPuls-Reihe, in dem Unterhaltung aber auch gesellschaftliche Relevanz großgeschrieben wird.
Einmalige Idee hilft Künstlern durch die Zeit
Dass diese nicht nur fürs Programm des Sasel-Hauses tragend ist, bekundete in diesem Frühjahr die kreative Spendenaktion „Bei Anruf Kunst“ – initiiert von der Schauspielerin Victoria Trauttmansdorff und ihrer Cousine Theresita Colloredo. Das Ziel war, freiberuflichen Künstlern finanziell durch den Lockdown zu helfen. Und das mit einer einmaligen Idee: 65 Schauspieler, unter ihnen Nicole Heesters, Anke Engelke, Gustav Peter Wöhler und Dietmar Bär, riefen bei kulturbegeisterten Spendern an und lasen ihnen am Telefon vor. Danach war sogar noch Zeit für einen kleinen privaten Klönschnack. 223 engagierte Kulturliebhaber nutzten spendeten 16.000 Euro für den guten Zweck. Auch mit dem neuerlichen Lockdown will das Sasel-Haus kreativ umgehen und unter anderem ein virtuelles Veranstaltungs- und Kursprogramm auf die Beine stellen. Durch dieses vielfältige Engagement wird das Kulturzentrum sicher mindestens weitere 40 Jahre ein Ort der Geselligkeit und Kommunikation bleiben.
Von Anja Krenz
Vom Kuhstall zum Kulturzentrum
Der Verein Sasel-Haus e.V. hat aktuell 340 Mitglieder, 250 Abonnenten (Sonntagskonzerte), circa 50 ehrenamtliche Mitglieder, acht Mitarbeiter im Kulturbetrieb, 15 Erzieher, zehn Aushilfen für den Veranstaltungsbetrieb, neun geringfügig Beschäftigte und zwei Auszubildende. Pro Jahr (außer 2020) hat das Sasel-Haus rund 225.000 Besucher
Last modified: 17. Dezember 2020