Warum Hamburger zum Golfen nicht unbedingt fliegen müssen
Von Johann Wolfgang von Goethe ist bekannt, dass er gerne auf Reisen ging. Er besuchte Italien, die Schweiz und Frankreich, nur im Norden war er nie. Hamburg? Terra incognita für den deutschesten aller deutschen Dichter. Wahrscheinlich, weil ihm an der Küste die Temperaturen nicht behagten. Dies ist zugleich der Grund, warum Golfer aus der Hansestadt im Frühjahr gerne in den Süden fliegen. Doch warum in die Ferne schweifen, würde Goethe, bekanntermaßen kein Golfer, an dieser Stelle sagen, wie wäre es denn mit dem Norden Badens? Motto: Mannheim statt Mallorca.
Von Gerhard Müller
Von Baden-Württembergern ist bekannt, dass sie alles können außer Hochdeutsch. Der Slogan ist sympathisch, muss aber nicht unbedingt als Zeugnis von vornehmer Zurückhaltung verbucht werden. Klar, dass die Alleskönner auch in puncto Golf Großartiges zu bieten haben. Die Top-Region zwischen Flensburg und Füssen, man ahnt es, kann nur im Musterländle liegen. Und in der Tat, auf der Homepage der Kooperation „Golfland Rhein-Neckar“ heißt es in schöner Bescheidenheit: „Entdecken Sie das größte Golf-Paradies Deutschlands. Sieben der besten Anlagen im Kraichgau und der Pfalz präsentieren ihnen anspruchsvolle Plätze der Spitzenklasse.“ Nun denn, sagt sich der neugierig gewordene Küsten-Bewohner Mitte April, ab in den Süden, Mannheim statt Mallorca.
Rund 650 Kilometer liegen zwischen Hamburg und dem Kraichgau, der bundesweite Aufmerksamkeit weniger durch Golf als den Fußball-Bundesligisten TSG Hoffenheim erlangte. Der starke Mann des Dorf-Klubs heißt Dietmar Hopp. Der SAP-Gründer und Milliardär hat im Ballungsraum Mannheim-Heidelberg mit dem GC St. Leon-Rot weitere Maßstäbe gesetzt. Das Hopp-Resort gehört zwar zum Golfland Rhein-Neckar, wurde aber wegen seines Bekanntheitsgrades bewusst ignoriert. Gespielt wurden stattdessen vier Plätze, die in Schottland, dem Mutterland des Golfsports, „hidden gems“ genannt werden würden, versteckte Juwelen: Heitlinger Hof, Mannheim-Viernheim, Hohenhardter Hof und der GC Rheintal bei Schwetzingen.
Als Ausgangspunkt eignet sich der Heitlinger Hof im Örtchen Tiefenbach an der Badischen Weinstraße perfekt. Das liegt einerseits am Golfplatz, anderseits am Bio-Weingut, das mit 110 Hektar das größte biologisch betriebene Deutschlands ist. Beides wie das angrenzende Hotel befinden sich im Besitz der Familie Heiler-Jacklin. Heinz Heiler, in einfachsten Verhältnissen aufgewachsen und als vielseitiger Unternehmer erfolgreich geworden, hat das Resort aufgebaut. Betrieben wird es von seiner Tochter Christine, einer Architektin, und deren Mann Warren Jacklin, der im Club praktischerweise als Golflehrer wirkt. Seiner späteren Frau hat er vor mehr als 30 Jahren Golfunterricht gegeben, so fügte sich zusammen, was zusammen gehört. Philipp und Patrick, zwei der vier Söhne, sind bereits ins florierende Familien-Unternehmen eingebunden.
Nicht ganz unwichtig in diesem Zusammenhang ist, dass Warren Jacklin Sohn eines berühmten Golfers ist. Tony Jacklin gewann 1969 die British Open und ein Jahr später als erster Brite seit 1925 mit dem Rekordvorsprung von sieben Schlägen die US Open. Zudem feierte der heute 78-Jährige, der in seiner Karriere mehr als zehn Millionen Dollar gewann, als Kapitän des europäischen Ryder-Cup-Teams drei Siege über die USA; der von 1985 war der erste nach 28 sieglosen Jahren und der Triumph von 1987 der erste in den USA seit dem Zweiten Weltkrieg. Tony Jacklin war auf der Insel so populär, dass er mit seinen Kindern nach Spanien auswanderte. „Mein Vater“, sagt Warren Jacklin, „konnte sich in seinen Glanzzeiten in England nicht mehr frei bewegen. Er war ungefähr so berühmt wie Boris Becker hier in Deutschland.“
Heitlinger Hof: Hohe Qualität in Tiefenbach
Bevor man eine Runde auf dem 6095 m langen 5-Sterne-Platz spielt, lohnt sich ein Blick auf die Homepage. Jede Bahn ist grafisch dargestellt und mit Drohnen-Videos garniert. Ein professioneller Service. Kein üblicher Service ist dagegen, dass Patrick Jacklin Gäste begleitet. Vor dem ersten Abschlag stellt der zweitälteste Sohn des Headpros sich mit den Worten „Ich spiele so zwischen Handicap 12 und 34“ vor. Auf den folgenden 18 Löchern stellt sich heraus, dass die Wahrheit der Zwölf deutlich näher kommt. Der 24-Jährige, der Wein-Technologie-Management studiert, ist ein idealer Fremdenführer, kann er doch aus naheliegenden Gründen viel über den Platz und das angrenzende Weingut erzählen.
Die 6095 m lange Runde beginnt mit einem 458 m langen, leicht ansteigenden Par 5, dessen Grün zu drei Vierteln von einem Bunker eingerahmt wird. Der dritte Abschlag gewährt einen weiten Blick bis zum modernen Clubhaus. Bahn 7, ein von Gelb knapp 170 m langes Par 3, erinnert ein bisschen an den höchsten Abschlag Deutschland in Waldeck-Wissenbach im Allgäu. Wunderbar. Zwei taktisch zu spielende Löcher mit Wasser folgen, ehe es auf den Back Nine richtig knifflig wird. Bahn 10, ein 265 m kurzes Par 4, verlangt durch das hängende Fairway und das blind anzuspielende Grün in einer Senke absolute Präzision.
Die 11 ist nur vier Meter länger, aber das Fairway ist eng und erlaubt absolut keine Streuung. Fortan geht es bergauf und bergab, immer wieder blickt man auf Weinberge, ehe an Bahn 18 Golf und Wein eine schöne Symbiose bilden: Abgeschlagen werden muss über Weinstöcke, aus deren weißen Reben der „Albatros“ gekeltert wird, den es nur im gleichnamigen Clubrestaurant zu trinken gibt. Dass dort die Küche absolut empfehlenswert ist, passt ins Gesamtbild: Auf dieser Anlage ist Qualität kein Muss, sondern Maßstab. Folglich ist das Greenfee von 75 Euro an Wochentagen und 85 an Wochenenden völlig angemessen.
GC Mannheim-Viernheim: Leistungssport als Leitbild
Nächster Tag, nächstes Vergnügen. Beim 1930 gegründeten GC Mannheim-Viernheim wartet ein Platz mit Greenfee-Preisen von 70 bis 90 Euro und einem ganz anderen Charakter. Die Hälfte der Bahnen führt durch über hundert Jahre alten Baumbestand, die andere Hälfte ist offen und immer wieder von Wasserhindernissen begleitet. Die unterschiedlichen Charakteristiken liegen an den Bauzeiten. Der Club, ursprünglich im Osten Mannheim beheimatet, hatte Anfang der 70er Jahre der Bundesgartenschau weichen müssen und im hessischen Viernheim ein neues Areal gefunden. 1973 entstanden die ersten neun Löcher im Käfertaler Wald, aber erst 27 Jahre später die zweiten neun.
So verwundert es wenig, dass die idyllischsten Bahnen, die ersten fünf und die letzten vier, zwischen Kiefern, Buchen und Birken verlaufen. Hier heißt es abschalten und eintauchen in die Natur. Besonders das 15. Loch, ein 392 m langes Par 4, hat es in sich, da dieses Dogleg nur einstelligen Golfern die Chance auf ein Par gewährt. Das Grün der 16 (Par 3, 160 m) wird von zwei Bunkern perfekt verteidigt. Beim Finale auf der 18 gilt es, mit dem zweiten Abschlag über einen großen Teich den Ball nicht in den Grünbunkern landen zu lassen. Wer sich auf der Terrasse des eindrucksvollen, modernen Clubhauses stärkt, der bekommt auf diesem 351 m langen Par 4 nicht selten bittere Dramen geboten.
Den Club, zeichnet großer Sportsgeist aus. Die Damenmannschaft tritt in der 2. Bundesliga an, die Herren spielen in der Bundesliga und gewannen 2014 und 2018 die deutsche Meisterschaft. Christopher „Hurly“ Long ist einer von mehreren Tourspielern. Der Sohn von Headpro Ted Long, der intensive Nachwuchsarbeit betreibt, vertrat Deutschland bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio. „Leistungssport gehört zu unserem Leitbild“, sagt Clubmanager Vincent Weinzettel.
Hohenhardter Hof: Wie in den schottischen Highlands
Von der rheinischen Tiefebene geht es am folgenden Tag hinauf ins Kraichgauer Hügelland. Bei Wiesloch liegt der GC Hohenhardter Hof. Das historische Rittergut, das der Anlage den Namen gab, steht auf den Resten einer ehemaligen Burg aus dem 12. Jahrhundert, der Platz könnte sich genauso in den schottischen Highlands befinden. Die wenigsten Bahnen gestatten einen geraden Stand, hängende Fairways und ondulierte Grüns sind hier Standard. Auf einer Hochebene mitten in der Natur gelegen bedeutet, Kondition mitzubringen oder ein Cart zu nehmen, denn immer wieder sind Anstiege mit leicht alpinen Anforderungen zu bewältigen.
Entsprechend beginnt die 60 Euro (Wochenende 80) teure Runde. Am ersten Abschlag blickt man auf eine Talsenke und auf ein in mehr als 400 m Entfernung hoch gelegenes Grün, das sich im Winter gut als Start für eine flotte Rodelpartie eignen würde. Das folgende Par 3, 122 m kurz, ist ausnahmsweise ziemlich eben, bietet aber nur dann eine echte Par-Chance, wenn man den strategisch perfekt platzierten Bunker ignoriert. Das Gelände gewährt immer wieder schöne Ausblicke in die weite Landschaft. Schön fürs Auge ist auch das 13. Loch, das über einen Teich angespielt werden muss.
Generell gilt jedoch, dass der Gast sich besser auf die Topografie des Platzes konzentrieren sollte, denn auf nicht wenigen Löchern droht der Score baden zu gehen. Wer nach dem 18. Abschlag über weidende Schafe seinen letzten Putt zu einem durchaus möglichen Par versenkt, wird sich insgesamt beeindruckt auf ein erfrischendes Getränk freuen. Das hat man sich hier wahrlich verdient.
Am Clubhaus trifft man vielleicht Ulrich Mack, der, angesprochen auf seinen Mittelgebirgs-Kurs leicht schmunzelnd bereitwillig zugibt: „Die Spieler, die aus der Rheinebene zu uns kommen, haben ein kleines Problem. Alle anderen kommen mit unserem Platz bestens zurecht.“ Mack begann hier 1977 mit 19 Jahren als Landwirt. 1983 baute er die ersten neun Löcher, vier Jahre später die zweiten neun. Nun ist er 63 und Betreiber der Anlage, zu der ein öffentlicher 9-Loch-Platz gehört sowie ein Minigolf-Areal. Mack befindet sich offensichtlich im Einklang mit der Natur. Die Ruhe rund um die ehemalige Ritterburg scheint sich auf sein Naturell abgefärbt zu haben.
GC Rheintal: 5 Par 3 und kein Wasser
Eine ähnliche Charakteristik wie der Kurs in Mannheim-Viernheim weist der GC Rheintal bei Schwetzingen auf. Dieser Platz ist auf Sand gebaut, was ihn schon im Frühjahr gut bespielbar macht, und er verfügt über alten Baumbestand. Allerdings sind die Fairways deutlich breiter – und: es gibt kein Wasser. Die Anlage wurde 1958 von bei Heidelberg stationierten US-Amerikanern fertiggestellt. 2013, nachdem Abzug der US-Truppen, übernahm die Gemeinde Oftersheim das Areal, ein Jahr später stieg Werner Gutperle, der drei weitere Golfplätze in der Pfalz leitet, als Betreiber ein. Seitdem wird in die Anlage viel investiert. „Wir haben vor zwei Jahren sämtliche Bunker erneuert und strategisch versetzt“, erzählt Clubmanagerin Petra Heinemann, die nach Dienstschluss selbst gerne golft: „So weiß ich auch, in welchem Zustand der Platz ist.“ Mitte April war dieser bereits hervorragend, die Fairways dicht, die Grüns perfekt. Himmlische Ruhe und herrliche Blicke bis zum Odenwald gab es inklusive. Auffällig ist, dass der Platz über fünf Par 3 verfügt, die zudem erstaunlich kurz sind. Zwei weisen von den gelben Herrenabschlägen weniger als 120 m auf. Wenn es überhaupt auf diesem völlig stressfrei zu bespielenden Kurs ein „signature hole“ gibt, dann ist es die 193 m lange 12 mit einem erhöhten Abschlag und einem von alten Bäumen flankierten großen Grün.
Solchermaßen entspannt endet die Golf-Reise in die Metropolregion Rhein-Neckar. Wer genügend Zeit mitbringt, sollte Essen und Wein genießen und um die kulturellen Höhepunkte keinen Bogen machen. Heidelberg, der Kaiserdom in Speyer oder das Kloster Lorsch als Weltkulturerbestätten – es gibt viel zu erleben in dieser sonnenverwöhnten Gegend. Die Römer wussten schon, warum sie sich hier vor mehr als 2000 Jahren niederließen. Auch wenn sie damals nicht Golf im Sinn hatten.
Last modified: 1. Juli 2022