Volksdorfer Wochenmarkt liegt im Trend: Frisches Gemüse so begehrt wie lange nicht: je lokaler desto besser
Volksdorf Frisch, gesund und regional – das steht in diesen Zeiten hoch im Kurs. Der Foodreport 2020 von Ernährungsexpertin Hanni Rützler bringt es so auf den Punkt: Biogemüse boomt und Abendbrot feiert ein Revival. Stay-at-home hat zudem die Lust am Kochen geweckt. Der Zeitgeist heißt „hausgemacht“. Auf den Balkonen wachsen Kräuter, Salat und Gemüse. Rezepte, Koch- und Einmachanleitungen werden vielfach weitergegeben. Besonders beliebt sind Einkäufe auf dem Wochenmarkt. Man will wissen, woher das Essen kommt.
Gemüse: Je lokaler, desto besser
All das kann Manuela Richert, Marktfrau und Gemüsehändlerin aus den Vier- und Marschlanden (wasessen.de), bestätigen. „In Zeiten des Lockdowns drehte sich plötzlich alles ums Essen. Die Menschen wollten unbedingt wissen, woher das Gemüse kommt. Je lokaler, desto besser. Die Nachfrage war riesengroß. Was mich freut: Auch jetzt, wo sich alles wieder etwas beruhigt hat, bleiben uns die Kunden treu. Frisch zu kochen ist in“, sagt die 49-Jährige. Dass viele im Urlaub daheim geblieben sind, machte sich auch an ihrem Stand auf dem Volksdorfer Wochenmarkt bemerkbar. Die Lust auf frisches Gemüse war und ist ungebrochen. Obwohl Anfang Juli der zweite Bauabschnitt begonnen hat und sich die Umgestaltung des Volksdorfer Wochenmarkts nach Aussage des Wandsbeker Bezirksamts noch bis Ende Februar 2021 hinziehen wird, sind alle der aktuell 75 Stände gut besucht. Geduldig stehen die Kunden mit Mund-Nasen-Schutz in den Schlangen. Einfach in den nächsten Supermarkt gehen? Das kommt für sie nicht infrage.
„Hier schmeckt Mangold noch nach Mangold“
„Man merkt einfach den Unterschied. Das Gemüse vom Markt ist eindeutig besser, als das aus dem Supermarkt. Hier schmeckt Mangold noch nach Mangold“, sagt Harald Koter. Der 47-Jährige ist jede Woche auf dem Volksdorfer Wochenmarkt und freut sich, wenn er nicht nur frische Ware, sondern auch noch die ein oder andere Rezeptempfehlung bekommt. Damit kann Händler Cem Baltaci dienen, der Pilze im Angebot hat, von deren Existenz viele vermutlich noch nie gehört haben: beispielsweise Limonenseitling, Haselnusschampignons oder Portobello. Der 39-Jährige ist studierter Maschinenbauer und hat die Leidenschaft für Pilze von seinem Vater, einem professionellen Händler, übernommen. Wenn er seinen Kunden Zubereitungstipps gibt, läuft den anderen Pilzfans in der Warteschlange schon das Wasser im Mund zusammen. Sein wichtigster Tipp: „Pilze zunächst in Öl anbraten und die Butter erst danach hinzufügen.“
Seit rund fünf Jahren macht sich die steigende Zahl der Veganer auch an seinem Stand bemerkbar. Viele verwenden Pilze als Fleischersatz. „Und auch meine Freunde lassen oft das letzte Würstchen liegen und essen stattdessen Pilze. Wenn sie gut zubereitet sind“, so Cem Baltaci.
Händler und Kunden per Du
Am vergangenen Sonnabend hatte er seinen kleinen Stand neben dem von Andreas Paschmann aufgestellt. Der Spezialist für Oliven und andere mediterrane Köstlichkeiten steht seit 32 Jahren auf dem Volksdorfer Wochenmarkt, kennt viele seiner Kunden mit Namen und weiß, was ihnen schmeckt. „Na, heute schon so früh?“, begrüßt er Juliane Hartmann um 10 Uhr morgens, die seit 40 Jahren den Volksdorfer Wochenmarkt besucht und die persönliche Atmosphäre schätzt. Hier ein Klönschnack, dort ein fröhliches Hallo – „man kommt auch hierher, um Freunde zu treffen“, sagt die 69-Jährige. Abends wird sie ihre gekauften Oliven noch mit Petersilie verfeinern und zum Aperitif reichen. Dazu gibt es Nudeln von den Pastafrauen. Gut 80 Prozent ihrer Einkäufe erledigt die Ammersbekerin auf dem Wochenmarkt – geradezu eine Liebeserklärung an Qualität und Frische.
Bunte Garne gerade stark nachgefragt
Über viel Zuspruch kann sich auch Kurzwarenhändler Mirko Schuh freuen. An seinem 13 Meter langen Stand gibt es alles, was das Herz von Näherinnen höher schlagen lässt, unter anderem Garne in allen Regenbogenfarben, Spitzen, Bänder und Stickartikel. Zudem repariert der Marktbeschicker alles, was einen Reißverschluss hat, wie Stiefel, Rucksäcke, oft getragene Lieblingsstücke. In den vergangenen Wochen brummte es regelrecht vor seiner Auslage. „Viele haben ihre Nähmaschine aus der Ecke geholt und sind kreativ geworden. Das war Wahnsinn“, sagt der 46-Jährige, der schon als Kind mit seinen Eltern auf Märkten in der Region unterwegs gewesen ist. „Eigentlich bin ich gelernter Elektriker, aber die Arbeit auf dem Wochenmarkt liegt mir im Blut. Hier trifft man täglich neue Leute, gerade die Atmosphäre in Volksdorf ist klasse. Alle sind so entspannt“, hat er festgestellt.
Einmal Marktbeschicker, immer Marktbeschicker? Zumindest Josef Zimmer würde das bestätigen. Der 55-jährige Korb- und Stuhlflechter ist einer von nur noch wenigen, die das alte Handwerk beherrschen. Sein Vater und Großvater reisten noch mit Pferd und Kutsche durchs Land, reparierten selbst Strandkörbe auf Sylt. Zimmer selbst macht auf dem Volksdorfer Wochenmarkt mit Körben und den bekannten Thonet-Stühlen auf sich und seinen Beruf aufmerksam. „Gelernt habe ich zunächst Stuckateur, aber als man anfing, Wände mit Maschinen zu verputzen, war mir klar: Das ist nichts für mich“, erzählt Josef Zimmer. Kurz darauf stieg er in die Fußstapfen seiner Familie und kann sich mittlerweile keinen schöneren Beruf mehr vorstellen. Wie sehr seine Arbeit geschätzt wird, erfährt, wer sich zu einem kleinen Pläuschen zu ihm stellt. Denn vor Kurzem hatte der Handwerker aus Eimsbüttel hohen Besuch in seiner Werkstatt. Ein Nachfahre des Firmengründers Michael Thonet (1796-1871) – bekannt für seine Bugholzstühle mit Korbgeflecht – brachte ihm ein Erbstück, verbunden mit den Worten: „Das ist bei dir in den besten Händen.“ Ein Ritterschlag für Josef Zimmer.
Wer gemütlich über den Volksdorfer Wochenmarkt bummelt, ahnt schnell: Dort gibt es nicht nur regionales Obst und Gemüse, frischen Fisch und Fleisch, duftende Backwaren, Gewürze, Honig, Kurzwaren und Kleidung. Sondern auch sehr viel (Lebens-)Geschichten. (sho)
Volksdorfer Wochenmarkt
Gut 75 Stände werden jeden Mittwoch und Samstag in Volksdorf aufgebaut. Jeweils von 8 bis 13 Uhr gibt es Obst und Gemüse, Fisch und Fleisch, mediterrane Köstlichkeiten und vieles mehr. Am besten mit Bus, Bahn oder Rad anreisen – Parkplätze sind knapp.
Fotos: Susanne Holz
Last modified: 4. September 2020