So gehen die Älteren mit der Corona-Pause um
POPPENBÜTTEL Die Langhein-Kate, Begegnungsstätte des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) am Schulbergredder, liegt verlassen da. Normalerweise wird sie wöchentlich von gut 250 Senioren aufgesucht, die dort in Kursen Theater oder Sport machen, Englisch lernen, singen oder spielen. Angelika Kaya ist die rührige Ansprechpartnerin der Kursteilnehmer und bedauert die erneute Schließung des Hauses sehr: „Gerade den alleinlebenden Menschen fehlen die sozialen Kontakte.“ Das Heimat-Echo hat fünf Senioren – stellvertretend für viele andere – aus verschiedenen Kursen besucht und nachgefragt, wie es ihnen im Lockdown geht.
Anneliese Bartuszies ist 87 Jahre alt. Man merkt sofort: Sie ist fröhlich, hilfsbereit, gesellig und äußerst kommunikativ. Vor dem Lockdown war sie jeden Mittwoch beim Spielenachmittag in der Langhein-Kate. Mit ihren 14 Mitspielern hat sie dann meist Karten gedroschen oder Rummikub gespielt. „Ich hab da immer viel Spaß gemacht. Die Senioren brauchen das – ‘n büschen aufgemuntert zu werden“, erzählt sie. „Es tut uns allen leid, dass wir uns nicht mehr treffen können. Ich greife des Öfteren zum Telefon. Ich spreche mit den Leuten, weil ich weiß, dass sie alleinstehend und einsam sind.“
Aktuell wird im privaten Rahmen gespielt
Ihrer Passion frönt sie nur noch im privaten Rahmen: Sonnabends ist sie bei ihrer Freundin Irmi im Minsbekweg. Die beiden kennen sich seit 64 Jahren und spielen leidenschaftlich gerne Skip-Bo miteinander. „Es kommt schon mal vor, dass wir um 15 Uhr anfangen und Sonntagmorgen um 8 Uhr aufhören“, erzählt Anneliese Bartuszies. Anschließend holt sie noch schnell Brötchen, schläft eine Runde, und dann kommt auch schon Frau Stamm mit ihrem Rollator vorbei. „Bei Regen hole ich sie selbstverständlich ab und bringe sie auch wieder nach Hause“. Und dann wird weiter gezockt und geschnackt. Auch wenn Treffen mit mehreren Personen wieder möglich wären, würde sich die Seniorin fernhalten, aus Angst sich anzustecken. „Ich lebe gerne!“, betont sie, und man glaubt ihr jedes Wort.
Auf einem mit mehreren Häusern bebauten Grundstück am Rehmbrook wohnt Viola Sagelsdorff. Die 83-Jährige ist dort von ihrer ganzen Familie umgeben, „aber wir halten Abstand, umarmen uns nicht“, erzählt sie. Die Friseurmeisterin im Ruhestand ist eines von rund zehn Mitgliedern der Theater-Gruppe, vermisst die anderen und die Treffen sehr. „Wir telefonieren regelmäßig, dennoch fehlt mir der soziale Kontakt.“ Im Sommer ging es noch. Da traf sich die Gruppe in ihrem Garten zum Üben. „Doch diese Möglichkeit ist bei den abnehmenden Temperaturen nicht mehr gegeben“, sagt ihr ehrenamtlicher Gruppenleiter Nicky Merl. „Wir haben Angst davor, dass die Gruppe auseinanderbricht. Ohne regelmäßige Proben und die Vorstellungen schwindet die Motivation.“ Viola Sagelsdorff hofft auf den Frühling und darauf, dass es dann weitergeht. „Das Spielen hält einen geistig rege. Ich bin zum Beispiel beim Fahrradfahren immer die Texte durchgegangen.“ Um drinzubleiben, greift sie sich immer wieder ihre Mappe und frischt das Gelernte auf, denn sie möchte wieder auftreten. Wenn nämlich die Gruppe die Bühne entert, ist die Kate voll: „Die Freude in den Gesichtern der alten Herrschaften bei unseren Aufführungen bedeutet mir viel!“, sagt sie.
In der Nähe des Hohenbuchenparks leben die Stocks seit 35 Jahren in ihrem Reihenhaus, in dem sie drei Kinder großgezogen haben. Heute sind sie stolze Großeltern von sieben Enkeln und haben reichlich um die Ohren. Dennoch vermissen sie ihren Stuhlsportkurs in der Langhein-Kate. Elvira Stock (65) absolviert zwar täglich ihre Viertelstunde Frühsport, „aber in der Gruppe ist das was anderes. Die Stunde zusammen, das Rumalbern und Lachen fehlen mir. Und die Expertin, die das mit uns macht.“ Karen, die Gruppenleiterin sei eine ganz Nette und Lustige, die in Ermangelung von Hanteln kreativ werde: Sie befüllt Halbliter-PET-Flaschen mit Sand oder Steinen und feuert ihre Senioren dann ordentlich an. Sie und ihr Mann gehen nun eben zum Ausgleich viel spazieren. Ihnen fehlt aber nicht nur der gemeinsame Sport, sondern vor allem das Singen.
Gesungen wird jetzt im Internet
Joachim Stock ist 1. Vorsitzender des ältesten Poppenbütteler Vereins, dem Amicitia Chor Hamburg. Der 69-Jährige versucht, den Chor, der vor Corona jeden Dienstagabend für zwei Stunden geprobt hat, zusammenzuhalten. Er verfasst regelmäßig die „Amicitia News“ mit Nachrichten über die Sänger und telefoniert mit ihnen. Bei Zoom-Konferenzen am PC können sich die Mitglieder zwar beim Singen gegenseitig sehen, aber nicht hören. „Jeder muss die anderen stummschalten, sonst ist die Technik überfordert.“ Stock hat vorm jüngsten Lockdown noch ein Treffen vor der Eisdiele am Markt organisiert. „Wir haben in einer Ecke im Kreis gesessen und geklönt. Da hat man schon gemerkt, dass viele Redebedarf haben.“ 28 Mitglieder warten nun darauf, dass die kalte Jahreszeit vorbeigeht, man wieder gemeinsam und mit neuen Sängern kreativ sein darf.
„Wir sind alle versessen auf die Kurse“
„Ich musste mir schon immer für alles Mögliche, das ich mir nicht merken konnte, Zettel schreiben“, erzählt Lore Scherzer. „Aber irgendwann nahm das Überhand. Und dann habe ich mit dem Gedächtnistrainingskurs beim DRK angefangen.“ Der ist anspruchsvoll und schult Dinge wie Wortfindung, Rechnen oder optisches Vorstellungsvermögen. „Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr das geholfen hat“, sagt die 81-Jährige. „Die Merkzettel sind um die Hälfte weniger geworden!“ Daher war sie froh, als die Gruppe im Oktober wieder zusammenkommen durfte: „Dreimal! Und dann war schon wieder Ende!“ Sie unterstützt grundsätzlich die Lockdown-Maßnahmen, aber sie betont, dass sie sofort merke, wenn sie nicht regelmäßig trainiere. Daher würde sie den Politikern gerne sagen: „Öffnet die Kurse! Tragen Sie dazu bei, dass wir wieder in unseren Rhythmus kommen!“ Mehr Hygiene als beim DRK in der Langhein-Kate gehe nicht. „Wir sind alle so versessen auf diesen Kurs, dass keiner wegbleiben würde. Da können Sie Gift drauf nehmen!“
Von Anja Krenz
Langhein-Kate – Ein Haus mit Geschichte.
1760 wurde die Langhein-Kate im Stile eines niedersächsischen Hallenhauses von der Familie Langhein errichtet.
Jetzt ist es das älteste Haus in Poppenbüttel, das als Begegnungsstätte des Deutschen
Roten Kreuzes dient.
Last modified: 17. Dezember 2020