Stammgäste sammeln Spenden für den Erhalt von „Dein Café“ in Ammersbek
AMMERSBEK Markus Klingenberg betreibt seit gut siebeneinhalb Jahren „Dein Café“ in der Georg-Sasse-Straße 16. Schon der erste Lockdown war für ihn ein Schlag ins Kontor. Als der Zweite am 28. Oktober verkündet wurde, schrieb er auf seiner Facebook-Seite: „Ich möchte schon mal im Voraus entschuldigen, dass wir diesen 2. Lockdown nicht überstehen werden.“ Dieser Post setzte bei seinen Stammgästen massive Energien frei und den Wunsch zu helfen. Seitdem sind rund 8.400 Euro an Spenden zusammengekommen – 15.000 werden benötigt, vor allem für die Miete.
Markus Klingenberg hat in der Gastronomie-Szene in Ammersbek fast ein kleines Wunder vollbracht. An einem durchaus schwierigen Standort, an dem schon zehn Betreiber vor ihm gescheitert waren, hat er sein Café in Ammersbek zu einem absoluten Treffpunkt gemacht. Damit sich jeder mit jedem gut unterhält, hat er die Gäste zuweilen sogar „verkuppelt“ und beherzt an einen Tisch gesetzt. Die Leute kamen ins Gespräch, lernten einander kennen und schätzen. Es entstanden Freundschaften und regelmäßige Treffen: „Ich hatte hier viele ältere Menschen, die sich schon 30, 40 Jahre vom Sehen kannten, und die fingen plötzlich eine Unterhaltung an! Später haben sie sich jeden Mittwochnachmittag bei mir zum Klönen getroffen.“ Doch wie lange noch wird es das geben? Das fragt sich Markus Klingeberg nun jeden Tag. Die Corona-Sorgen drücken.
Umsätze sind massiv weggebrochen
Er verdient zu wenig und der befristete Arbeitsvertrag seiner Lebensgefährtin Sina, eine studierte Ökotrophologin, lief Anfang April nach über neun Jahren in der Elternzeit aus. Vor einem Monat hat die Familie ihre Mietwohnung in Ammersbek verlassen und ist nach Flensburg in die Nähe der Großeltern gezogen, „damit wir im Falle einer Insolvenz familiären Halt haben.“ Seitdem schläft er bei Ammersbeker Freunden, deren Töchter beide in seinem Café gejobbt haben.
„Im ersten Lockdown hat mir mein Steuerberater empfohlen, keine Soforthilfe zu beantragen. Die hätte ich zurückzahlen müssen, da ich Einkünfte durch Außerhaus- und Online-Verkauf von Kaffeebohnen hatte“, erklärt Klingenberg seine finanzielle Misere. Die Hilfen vom Bund im aktuellen Lockdown bringen ihm wenig: Er darf nur die Umsätze geltend machen, die dem vollen Mehrwertsteuersatz unterliegen. Das betrifft also ausschließlich die Speisen und Getränke, die im November 2019, dem sogenannten Vergleichsmonat, im Innenraum seines Cafés verzehrt wurden. Umsätze, die er mit seinem Außerhausverkauf erzielt hat, darf er nicht einbeziehen, da für sie der reduzierte Mehrwertsteuersatz gilt. „Das bedeutet, dass nur circa 25 Prozent meines Umsatzes als Bemessungsgrundlage gelten. Realitätsferner geht es kaum.“ Rückblickend, sagt er, stünde er besser da, wenn er seinen Laden am 18. März zugeschlossen und bis heute ruhen gelassen hätte. „Dann hätte ich alle Hilfen und sogar eine Unterstützung für meine Lebenshaltungskosten in Anspruch nehmen können.“
Sein Vermieter hat trotz der Pandemie im Juni vertragsgemäß die Miete erhöht. Nun hat er eine Stundung bis mindestens Ende des Jahres angeboten. Das wusste er noch nicht, als sein Stammgast André Ewert vor kurzem einen Spendenaufruf auf dem Portal gofundme.com initiierte. Ewert, der die Kita Teichweg leitet, begründet sein Engagement so: „Das ist nicht irgendein Café, das ist ein Treffpunkt für die Nachbarschaft!“ Knapp 170 Menschen haben inzwischen über die Hälfte der benötigten 15.000 Euro gespendet. Das berührt Klingenberg sehr. Seit Sonntag ist sein Café erstmal zu, „weil ich nur Kosten habe. Allein die Eistruhe verschlingt 450 Euro Strom im Monat“, sagt der 40-Jährige traurig. Die Spenden wird Klingenberg als Einnahme verbuchen und versteuern müssen, da sein Café nicht gemeinnützig ist. Tragisch – denn „gemeindenützig“ ist es allemal.
Von Anja Krenz
Last modified: 17. Dezember 2020